Bei dem anonym überlieferten geistlichen Konzert O dulcis Jesu handelt es sich um die Vertonung eines Textes der Barock-Mystik. Musikalisch ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit im Umkreis von Heinrich Ignaz Franz Biber anzusiedeln. Besonders bemerkenswert ist die enge Verbindung von Textinhalt und Musik: Der mystische Topos, die „bittere Süßigkeit“ des Verlangens, vom Pfeil der göttlichen Liebe verwundet zu werden und mit Jesus zu sterben, wird in idealer Weise durch die fahle Grundtonart e-Moll und die klangliche Verfremdung durch die skordierte Violinstimme repräsentiert. Ein kühnes, extravagantes, in hohem Grade „barockes“ Stück!