2018 beschrieb mir Maria Hafner in lebhaften Worten, wie sie sich die einzelnen Sätze vorstellte. Dieser Besuch und die Betrachtung von Maria Hafners Bildzyklus inspirierten mich zur Komposition "David, König, Sänger und Prophet".
Eine zweite starke Inspiration erlebte ich anlässlich des Adventskonzerts 2017 des Chors "Xang" unter der Leitung von Peter Werlen. Sein dem englischen Kathedralgesang verwandter reiner Chorklang im Zusammenspiel mit der Harfe würde dieses Grossprojekt
möglich machen! Glücklicherweise liess sich auch der Chor Xang von dieser Idee begeistern.
Wir einigten uns auf ein abendfüllendes Werk, in dessen Zentrum der Chor steht, begleitet von Harfe (dem Instrument König Davids), Horn/Alphorn, Perkussion und Orgel. Wie 1995 beim Oratorium "Verena die Quelle" werden auch im David-Oratorium Maria Hafners David-Bilder zu den betreffenden neukomponierten Musikstücken auf Grossleinwand projiziert.
Die Texte entnahm ich dem Buch Samuel - der eigentlichen Lebenschronik Davids -, den Psalmen Davids und den Texten/Gedichten, die Maria Hafner zu ihren Bildern schrieb.
Als ich mich in König Davids Leben vertiefte, staunte ich, wie aktuell sein Schicksal und seine persönlichen tagebuchartigen Psalmen sind: Wie ein Held der Gegenwart (Staatschef, Filmstar, Rocksänger) erlebte David einen kometenhaften Aufstieg, wurde vom Volk bejubelt und erlaubte sich allmählich Unerlaubtes: Er schwängerte Bathseba, die Frau seines treuen Untergebenen Uria, liess diesen töten und nahm Bathseba zur Frau. Nach dieser schrecklichen Tat ging es in Davids Leben abwärts.
Die musikalische Dramatik verläuft exakt nach Davids Lebensschicksal: Vom ersten bis zum sechsten Satz steigert sich die Musik stetig. Der sechste Satz, die Vertonung des ausgelassensten Bildes Maria Hafners, bildet den Zenit des Werkes und stellt Davids Tanz vor der Bundeslade dar. Gleich darauf folgt als siebter Satz jene schicksalshafte Nacht mit Bathseba, komponiert für 8-stimmigen Chor a cappella. Im achten Satz hält Gott seinem König David durch den Propheten Nathan in einem eindrücklichen Gleichnis den Spiegel vor und kündigt ihm
schreckliches Unheil an. David bleibt zwar am Leben, da er seine Tat bereut, alles andere aber, das Nathan durch Gott angekündigt hat, trifft in den folgenden Sätzen ein.
Das letzte Bild nennt Maria Hafner "Lumen Gentium - Licht der Völker". Dieses Licht, wie David es in einem Psalm und in seinen letzten Worten sieht, versuche ich in einem grossen Crescendo auch musikalisch erlebbar zu machen.
Die von Leo Hafner, dem Bruder Maria Hafners, erbaute Kirche St. Johannes, in der die Aufführungen stattfinden werden, ist sehr geeignet für dieses multimediale Werk. Auch choreographisch lässt dieser moderne Kirchenraum einiges zu.
Carl Rütti, Zug, 26. Dezember 2018